Filmplakat von April

April

78 min | Spielfilm
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Moretti feiert im April die Geburt seines Sohnes. Aber es gibt für Moretti auch einen anderen Grund zur Freude: Das Mitte-Links-Bündnis behauptet sich gegen Berlusconi. Was wird Moretti jetzt machen: Einen Film drehen über die politischen Verhältnisse in Italien oder doch lieber zu Hause mit seinem Sohn spielen und Sachertorten verspeisen? (P.M.)

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Filmkritik

In einem ostgeorgischen Krankenhaus stirbt ein Frühchen kurz nach seiner Geburt. Der Vater macht die leitende Gynäkologin Nina (Ia Suchitaschwili) für den Tod des Kindes verantwortlich. Zunächst soll die vom Oberarzt (Merab Ninidze) veranlasste Untersuchung des Vorfalls von David (Katcha Kinsuraschwili) geleitet werden, Ninas ehemaligem Liebhaber. Doch Nina entscheidet sich für einen anderen Gutachter, damit die Neutralität gewahrt bleibt. Der Tod des Kindes macht ihr sehr zu schaffen, doch von beruflicher Seite will sie sich nichts vorwerfen lassen. David gibt zu bedenken, dass der Säugling womöglich durch einen Kaiserschnitt hätte gerettet werden können. Das sei bei der Mutter, deren Schwangerschaft im Vorfeld nicht registriert wurde, das Standardverfahren gewesen. Doch Nina hält dagegen, dass sie nicht gegen den Willen der Schwangeren handeln wollte.

Auf der Seite der Frauen – auch gegen die Regeln

Die engagierte Ärztin sorgt sich generell sehr um das Wohl ihrer Patientinnen und handelt dabei auch gegen die in der ländlichen Gegend vorherrschende Moral. Sie verschreibt jungen Frauen heimlich die Pille und nimmt bei Bewohnerinnen der angrenzenden Dörfer auch illegale Schwangerschaftsabbrüche vor. Das hat sich mittlerweile herumgesprochen und hätte negative Auswirkungen auf das Krankenhaus, wenn dies öffentlich thematisiert würde. Auch der Vater des toten Kindes hatte Nina deswegen schon als „Mörderin“ beschimpft.

Die Gründe für Ninas risikoreiches Handeln offenbaren sich in langen Sequenzen, in denen die Ärztin bei Hausbesuchen auf dem Land begleitet wird. Die Frauen in den Dörfern befinden sich häufig in Notsituationen, weil sie keine weiteren Kinder versorgen können oder weil man sie beim Bekanntwerden einer unehelichen Schwangerschaft brandmarken würde. So verhält es sich etwa bei einer gehörlosen Frau, deren Schwester die Gynäkologin bittet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen.

Privat findet Nina hingegen nur wenig Anschluss. Mit ihrer Schwester hat sie kaum Kontakt; David war ihre letzte Beziehung. Auf den Autofahrten durch die Dörfer lässt sie sich deshalb auf anonymen Sex mit Zufallsbekanntschaften ein.

Auf dem Land scheint die Zeit stillzustehen

Regisseurin Dea Kulumbegaschwili stellt eine ebenso einsame wie charakterstarke Protagonistin in den Mittelpunkt. Nina muss sich gegen harte Widerstände behaupten: gegen die rigiden, vom christlich-orthodoxen Glauben geprägten Moralvorstellungen wie auch gegen die Macht der Männer. Diese sind Kollegen wie David oder Vorgesetzte wie der Oberarzt. Auf dem Land herrschen die ungeschriebenen Gesetze der Ehre; wegen der Schwangerschaft einer unverheirateten Tochter oder gar einer Abtreibung würde eine Familie geächtet werden.

In der Provinz scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Frauen haben keine Handlungsfreiheit, die Menschen leben in bitterer Armut. Straßen sind nicht gepflastert und entpuppen sich als gefährliche Fallen, wenn Nina mit ihrem Auto im Schlamm stecken bleibt. Das Vieh, das oft unter miserablen Bedingungen gehalten wird, transportieren die Bauern unter riskanten Bedingungen; in den Dörfern hat die Technik noch kaum Einzug gehalten; eine neue Schule im futuristischen Design tut der Schwager der gehörlosen Frau als puren Unsinn ab.

Nina begegnet im Krankenhaus wie auf dem Land sowohl Respekt, aber auch eine gewisse Geringschätzung. Als Ärztin wird sie zwar gelobt, doch als alleinstehende Frau achtet man sie nicht, ohne dass dies je explizit ausgesprochen würde. Dass man in „April“ überhaupt etwas von Ninas privatem Hintergrund erfährt, verdankt sich zumeist den Dialogen zwischen ihr und David. Sie sind als Gegenüberstellungen inszeniert und gleiten zuweilen ins Irreale ab.

Frauenkörper als Politikum

Ninas Einsamkeit und ihr unstetes Sexleben werden durch zahlreiche Szenen illustriert. Oft bewegt sie sich nackt in schlecht beleuchteten Räumen oder liegt einfach nur da. Bei den Fahrten übers Land lässt sie sich mit unbekannten Männern ein. Damit bestimmt sie selbst über ihre Sexualität, macht sich aber auch angreifbar. Generell nehmen nackte Frauenkörper in „April“ eine wichtige Rolle ein. Die eingangs gezeigte Geburt ist echt (der Tod des Kindes glücklicherweise fiktiv), und auch eine (nicht reale) Abtreibung filmt Kulumbegaschwili mit größtmöglichem Realismus. Die weiblichen Körper entziehen sich durch die Kameraführung jedoch dem männlichen Blick und damit einer Sexualisierung. Die Inszenierung macht überdeutlich, dass sowohl Geburten als auch Abtreibungen schmerzhafte Angelegenheiten sind. Und dass Nina durch ihre Aktionen den Frauen helfen will, selbst über ihre Körper zu bestimmen.

Auch albtraumhafte Einstellungen, etwa von einer nackten Alten mit faltiger Haut, durchbrechen den ruhigen Erzählfluss. Es wird nicht allzu viel gesprochen. Der Filmtitel „April“ leitet sich vom Geburtstag des verstorbenen Säuglings am 10. Tag des Monats ab, sowie vom wechselhaften Wetter, das die Stimmungen des Films prägt. Die Natur erscheint stets als bedrohlich. Regen ermöglicht zwar den Tieren und Pflanzen ein reiches Leben, doch den Menschen machen die Unwetter zu schaffen.

Vieles in „April“ bleibt unerklärt; der Wille zu einer eigenständigen und eigenwilligen Form wirkt auf Dauer allerdings etwas redundant und zäh. Auch extrem lange, nur von Naturgeräuschen bestimmte Einstellungen, die mitunter mehrere Minuten dauern und Ereignisse in gefühlter Echtzeit betrachten, werden zum stilistischen Selbstzweck und bringen die Geschichte wie die Figuren nicht voran.

In erster Linie dreht sich „April“ jedoch um eine Frau, die in einem feindseligen Umfeld handelt. Etliche Autofahrten, die immer aus dem Blickwinkel von Nina gefilmt sind, führen stets in neue Abenteuer mit ungewissem Ausgang und beschwören latente und reale Gefahren. Dass Nina sich darin behauptet, verdankt sich ihrer Hartnäckigkeit und ihrem Mut. Dennoch ist sie in übergeordnete Zusammenhänge eingebunden, in denen Männer das Sagen haben. Damit ihre berufliche Zukunft nicht durch Ninas Alleingänge gefährdet wird, haben sich die Männer in einem System eingerichtet, das sie selbst schützt, während Nina ständig Grenzen überschreiten muss, um das zu tun, was sie als richtig empfindet.

Veröffentlicht auf filmdienst.deAprilVon: Kira Taszman (29.7.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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