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Filmkritik
Die alleinerziehende Suzanne (Valérie Bonneton) hat sich nach dem Tod ihres Ehemanns in den Alkohol geflüchtet. Als sie eines Morgens ihre drei Söhne zur Schule fahren will, dabei aber vergisst, die Handbremse anzuziehen, rollt der Wagen rückwärts die Hauseinfahrt hinunter und prallt gegen ein anderes Auto. Zum Glück ist niemanden etwas passiert, doch die überforderte Mutter verliert das Sorgerecht an ihre Schwiegereltern. Sie muss erst eine Entziehungskur machen, wenn sie ihre Kinder zurückbekommen will. In der Klinik verharmlost sie ihren Fall als Justizirrtum – und ist damit nicht alleine.
Ärzte, Psychologen, Therapeuten und Pflegekräfte bemühen sich mit bewundernswertem Engagement, den Alkoholikerinnen zu helfen, von der Sucht loszukommen. Der erste Schritt besteht allerdings darin, diese überhaupt als solche zu akzeptieren. Das fällt allen Patientinnen schwer; in der Gruppe geht es leichter. So freundet sich Suzanne mit der sprunghaften Alice (Sabrina Ouazani) und der Schauspielerin Diane (Michèle Laroque) an. Als besonders hilfsbereit erweist sich der Sportlehrer Denis (Clovis Cornillac), der seit zwölf Jahren ohne Alkohol auskommt. Er verfolgt einen ehrgeizigen Plan: Seine Frauengruppe soll an einer Autorallye in der marokkanischen Wüste teilnehmen. Als Team sollen Suzanne, Alice und Diane Selbstvertrauen und Optimismus zurückgewinnen. Das Training ist mühsam und anstrengend.
Noch immer tabu: Frauen & Alkohol
Die Regisseure Elsa Bennett und Hippolyte Dard nehmen einen Themenkreis in den Blick, der im Kino lange vernachlässigt wurde. Zwar haben Barbet Schroeder in „Barfly“ (1987), Mike Figgis in „Leaving Las Vegas“ (1995), Robert Zemeckis in „Flight“ (2012) oder Thomas Vinterberg in „Der Rausch“ durchaus von alkoholkranken Männern erzählt, doch weiblicher Alkoholismus scheint noch immer ein Tabuthema zu sein. Eine der Ursachen dürfte auch darin liegen, dass Frauen sich häufiger schämen und schuldig fühlen und zu lange warten, bis sie Hilfe in Anspruch nehmen.
Umso wichtiger ist es dem Film, das Problem ungeschminkt zu zeigen. Eindringlich werden die Schwierigkeiten der Patientinnen geschildet, sich zu öffnen und die Erkrankung als solche anzunehmen. Der Film schildert aber auch, wie viel Geduld und Zuversicht das medizinische Personal braucht, um sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen.
Die innere Unruhe und das Getriebensein der Süchtigen manifestiert sich in der Bildgestaltung. Die unruhige Handkamera bleibt meist nahe an den Figuren. In dramatischen Momenten setzt eine leise Klaviermusik aus dem Off einfühlsame Akzente. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Teufelskreis aus Sucht, Entzug und Rückfall. Mehrmals zeigt der Film, wie groß die Versuchung in einer Gesellschaft ist, in der Alkohol etwas Selbstverständliches ist, und wie schnell ein Rückfall passiert.
Die vierte Wand durchbrechen
Doch auch wenn 80 Prozent nach einem Entzug wieder rückfällig werden, ist das für das Regie-Duo kein Grund für Larmoyanz oder Pessimismus. Der Ernst der Probleme wird deshalb gelegentlich mit Humor ausbalanciert, wenn die Patientinnen übereinander lästern, als therapeutische Übung alkoholfreie Cocktails gemixt werden und zu zweit Zelte aufgestellt werden sollen. Unübersehbar ist, dass „Die guten und die besseren Tage“ Hoffnung und Zuversicht vermitteln will. Das zeigt sich auch in der Bild- und Farbgestaltung. Während die ersten beiden Drittel weitgehend in der Klinik spielen und von düsteren, kühlen Farben bestimmt sind, hellt sich der Film nach der Ankunft in Marokko auf. Die Sonne strahlt über einem blauen Himmel, die Bilder aus der Wüste werden kontrastreicher und farbiger, die Kamera nutzt die größere Freiheit zu mächtigen Totalen mit imposanten Berg- und Sandlandschaften.
Auf ihr schwieriges Thema haben sich Bennett und Dard gut vorbereitet. Sie recherchierten in Entzugskliniken, sprachen mit Patientinnen und gaben Betroffenen Gelegenheit, sich vor der Kamera auszusprechen. Das vermittelt der Inszenierung ein authentisches, geradezu dokumentarisches Flair. Einen ähnlichen Effekt haben die kurzen Statements der Patientinnen, welchen die Episoden in der Klinik gliedern. Die Frauen sprechen über ihre Leiden und Träume, Ängste und Sehnsüchte und schauen dabei direkt in die Kamera, womit sie gleichsam die vierte Wand durchbrechen.
Das solide Spiel der Hauptdarstellerinnen gleicht die etwas sehr gängige Stationendramaturgie einer Heldenreise aus. Insbesondere glänzen Valérie Bonneton als Suzanne und Sabrina Ouazani als Alice, die in der Wüste als Vorzeigepaar femininer Solidarität und Selbstermächtigung aufblühen. In der Rolle des aufopferungsvollen Samariters Denis besitzt auch Clovis Cornillac starke Momente.