Filmplakat von Milch ins Feuer

Milch ins Feuer

79 min | Drama | FSK 6
Tickets
Szenebild von Milch ins Feuer 1
Szenebild von Milch ins Feuer 2
Szenebild von Milch ins Feuer 3
Szenebild von Milch ins Feuer 4
Szenebild von Milch ins Feuer 5
Szenebild von Milch ins Feuer 6
Szenebild von Milch ins Feuer 7
Szenebild von Milch ins Feuer 8
Szenebild von Milch ins Feuer 9
Anna ist schwanger und denkt über Kastrationen nach. Katinka kann vielleicht keine Bäuerin werden und trägt ihren Bikini im Melkstand. Aber Omas Tomaten sind in diesem Jahr so gut geworden wie nie zuvor. Ein Sommer auf sterbenden Bauernhöfen. Katinka (Karolin Nothacker), eine junge Frau, ringt darum, den Bauernhof ihrer Familie weiterzuführen. Mit ihr treten weibliche Figuren in den Vordergrund, die die landwirtschaftliche Realität nicht nur bewältigen, sondern prägen – allen voran Mutter (Johanna Wokalek) und Großmutter (Lore Bauer), die als Generationenverbund Kontinuität und gelebte Erfahrung verkörpern – sowie Katinkas Schwestern und Anna (Pauline Bullinger), mit denen sie jede freie Minute im Fluss verbringt.
Der Film schöpft aus Bauers eigener Kindheit auf einer Straußenfarm und wirft einen ungewöhnlich intimen Blick auf das Leben junger Landwirtinnen. In ihrem mehrfach ausgezeichneten Debütfilm erzählt Justine Bauer (KMH Köln) von einem Sommer auf dem Land im Hohenlohekreis (Baden-Württemberg) – sinnlich, still und voller Fragen nach Herkunft, Verantwortung und Zukunft.

Vorstellungen

Passage Kinos Leipzig
Passage Kinos Leipzig
Hainstraße 19a
04109 Leipzig
ODEON Lichtspieltheater Köln
ODEON Lichtspieltheater Köln
Severinstraße 81
50678 Köln
City 46 Kommunalkino Bremen e.V.
City 46 Kommunalkino Bremen e.V.
Birkenstraße 1
28195 Bremen
Casablanca Filmkunsttheater Nürnberg
Casablanca Filmkunsttheater Nürnberg
Brosamerstraße 12
90459 Nürnberg
Kino Passage Erlenbach
Kino Passage Erlenbach
Bahnstraße 37
63906 Erlenbach am Main
Filmstudio Glückauf Essen
Filmstudio Glückauf Essen
Rüttenscheider Straße 2
45128 Essen
Kino Lumière Göttingen
Kino Lumière Göttingen
Geismar Landstraße 19
37083 Göttingen
Cinema Quadrat Mannheim
Cinema Quadrat Mannheim
K1, 2
68159 Mannheim
Kino Krokodil Berlin
Kino Krokodil Berlin
Greifenhagener Straße 32
10437 Berlin
Klick Kino Berlin
Klick Kino Berlin
Windscheidstr 19
10627 Berlin

Filmkritik

Es sind die Frauen, die den Milchhof im baden-württembergischen Hohenlohe am Laufen halten. Sie mähen, pressen das Stroh in kantige Ballen, kümmern sich um die Tiere und erkennen an den Augen, ob eine Katze oder eine Kuh trächtig ist. Wenn sich Katinka (Karolin Nothacker) und ihre Mutter Marlies (Johanna Wokalek) am Melkstand – eine links, die andere rechts im Gang – im Gleichschritt voranarbeiten, sitzt jeder Griff. Alles ist schon unzählige Male gemacht worden: Zitzen der Euter abwischen, die Melkbecher aufstülpen, ab und zu ein freundlicher Klaps auf den mächtigen Tierschenkel, bevor es zur nächsten Kuh weitergeht. Jeden Tag, zu allen Jahreszeiten, auch an Feiertagen.

Katinka trägt in diesem heißen Sommer auch im Stall ihren Bikini, damit sie mit ihren Freundinnen und Schwestern zwischendurch in den Fluss springen kann; quecksilbern-moosig fließt der unter dem Laub der Bäume dahin und scheint nur auf die junge Frau zu warten.

Wortkarg und pragmatisch

Justine Bauer erzählt in ihrem Debütfilm „Milch ins Feuer“ vom Leben und Arbeiten auf dem Land. Sie tut dies mit sachkundigem und zugleich zärtlichem Blick. Die Regisseurin ist selbst auf einem Hof im Jagsttal aufgewachsen und kennt die Arbeit, die Region und die Leute, die – zumindest in ihrem Film – nur das Nötigste sagen und zum Pragmatismus neigen. So wünscht sich Carina (Lorena Elser) zu ihrem 18. Geburtstag „ne g’scheite Schaufel“. Später erlöst Katinka damit ein angefahrenes Kätzchen am Straßenrand mit einem gezielten Hieb von seinem Leiden.

Katinka steht im Mittelpunkt der Geschichte, die dramaturgisch ohne großen Plot auskommt und doch so viel über Bilder, Bemerkungen und Beiläufigem erzählt. Die 17-jährige Katinka will Landwirtin werden, so wie ihre Mutter und ihre Großmutter Emma (Lore Bauer), deren Tomaten in diesem Jahr besonders süß sind; früher hat Emma fast alles per Hand gemacht. Katinkas Mutter aber wäre es lieber, wenn ihre Tochter eine Ausbildung bei Aldi machen würde; sie weiß, dass sich die Landwirtschaft schon lange nicht mehr rentiert. Ohnehin wird Katinkas Bruder den Hof erben; Katinka hingegen muss sich einen Bauernburschen mit Land suchen. „Als Madl musch halt wegziehe“, kommentiert ihre Freundin Anna, die als Erzählerin durch das Geschehen führt. Manche Regeln ändern sich anscheinend nie.

Das Patriarchat ist keineswegs verschwunden, auch wenn die Männer im Film – wenn überhaupt – nur in kleinen und wenig schmeichelhaften Rollen zu sehen sind. Es sei der Sommer der großen Fragen, so Anna zu Beginn des Films: Was soll Katinka nun machen? Wie Bäuerin werden ohne Hof? Und was soll Anna tun, die ungewollt schwanger ist und nicht weiß, ob sie das Kind will.

Ohne Kitsch oder Heimatideologie

„Milch ins Feuer“ ist ein Heimatfilm, aber ohne Kitsch und Ideologie und ganz und gar nicht von Weltflucht erfüllt. Justine Bauer zeigt die hart arbeitenden Frauen, die Handgriffe, die Abläufe, oft auch in Großaufnahmen, und erzählt damit fast schon dokumentarisch, was in der Landwirtschaft getan werden muss. Bauer hat überwiegend mit Laiendarstellerinnen gedreht, in deren Riege sich die aus Baden stammende Johanna Wokalek nahtlos einreiht. Sie sprechen Mundart, so wie es die Menschen dort eben tun und weil es die Regisseurin als Verlust empfindet, dass das Hochdeutsche den Dialekt verdrängt.

Justine Bauer will mit Vorurteilen aufräumen. Deshalb beschreibt sie das Aufwachsen auf dem Land keineswegs als defizitär. Hier schlägt niemand mit der Faust in die Welt. Die Stadt ist kein Sehnsuchtsort, und das Land nicht provinziell. Insofern gleicht „Milch ins Feuer“ Filmen wie „Könige des Sommers“ (2024) oder „Siebzehn“ (2017). Der Höhepunkt des Films ist nicht wie so oft die Geburt eines Kalbs, sondern die Kastration eines Lamas, dessen Weichteile sich der Hund schnappt. „Milch im Feuer“ bemüht kaum ein Klischee, auch nicht bildlich. Die Landschaft mit Hügeln und Feldern hat Kameramann Pedro Carnicer nicht in weiten, majestätischen Einstellungen eingefangen, sondern er hat sie in einem fast quadratischen 4:3-Format gerahmt. Damit rücken die Figuren ins Zentrum; die Natur wirkt konzentriert und in ihrer Idylle zugleich entrückt. Ganz ohne Poesie – vor allem auch im Zusammenspiel mit Annas trockenen Kommentaren – kommt auch „Milch ins Feuer“ nicht aus.

Nicht alles ist gut

Es ist schön in Hohenlohe, aber nicht alles ist gut. Ein Freund der Mädchen lässt eine rassistische Bemerkung fallen. Wo früher der landwirtschaftliche Betrieb des alten Elsers stand, hat sich jetzt eine fade Neubausiedlung breitgemacht. Der Nachbar kann trotz 89 Kühen seine Familie kaum ernähren. Mit grünen Holzkreuzen weist er auf seine Misere hin; ein Strohfeuer löscht er medienwirksam mit Milch. Doch sein Protest verpufft ohne Wirkung, aber mit fatalen Folgen. Nicht nur in Hohelohe sterben die Höfe.

Als Katinkas Familie am Ende für ein Werbefoto der Molkerei posiert, wird ihr Bruder in die Mitte und sie an den Rand gestellt. Doch das hält Katinka und die anderen Mädchen und Frauen nicht davon ab, ihren Weg zu gehen. Dazu können und wissen sie einfach zu viel.

Veröffentlicht auf filmdienst.deMilch ins FeuerVon: Kirsten Taylor (31.7.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
Über filmdienst.de Filmdienst.de, seit 1947 aktiv, bietet Filmkritiken, Hintergrundartikel und ein Filmlexikon zu neuen Kinofilmen aber auch Heimkino und Filmkultur. Ursprünglich eine Zeitschrift, ist es seit 2018 digital und wird von der Katholischen Filmkommission für Deutschland betrieben. filmdienst.de