
- RegieJohanna Moder
- ProduktionDeutschland (2025)
- Dauer108 Minuten
- GenreThriller
- Cast
- IMDb Rating6.7/10 (122) Stimmen
Vorstellungen
Filmkritik
Das pure Elternglück kommt ihnen entgegen, als Julia (Marie Leuenberger) und Georg (Hans Löw) das Gelände der Privatklinik betreten. Junge Paare tragen Neugeborene in Babyschalen zum Auto. Im Treppenhaus des stylischen, aber doch unbehaglich kargen Baus mit dem offenen Beton und den Axolotl-Aquarien schleichen sich Zweifel dazwischen. Doch die Heliumballons der anderen Elternpaare, die nicht in den Himmel entlassen wurden, sondern zwischen den Etagen festhängen, verheißen etwas Schlimmes. Ist das Ganze vielleicht doch nicht so einfach, wie der Chefarzt Doktor Vilfort (Claes Bang) verspricht? Die in seiner Klinik angewandte Methode der künstlichen Befruchtung sei derart fortgeschritten, dass er keine Sorge um Julias Schwangerschaft habe.
Kurz darauf ist Julia tatsächlich schwanger. Ein letztes Mal dirigiert sie ihr Orchester. Der Ehemann sitzt verliebt in der ersten Reihe, der Arzt bewundernd einige Plätze dahinter. Es gibt viel Applaus für die Dirigentin, viele Glückwünsche für die Schwangere. Für die Mutter aber wird es keine Verehrung mehr geben, nur Ansprüche.
Der Junge gibt keinen Laut von sich
Die Geburt ist traumatisch. Was mit der brav im Vorbereitungskurs geübten Routine aus dem Atmen gegen die Schmerzen der ständig kürzer werdenden Wehen beginnt, eskaliert plötzlich. Eine zusätzliche Betäubung wird gesetzt, der Mann muss weichen, die Saugglocke helfen. Der Junge, den Julia schließlich zur Welt bringt, gibt keinen Laut von sich. Wortlos bringt der Arzt ihn fort. Das sei alles Routine, beruhigt die Hebamme fahrig, bevor auch sie das Paar im Kreissaal allein zurücklässt.
Das Kind sei in die Neonatologie der nahen Notfallklinik verlegt worden, heißt es dann, wegen Sauerstoffmangel. Als es tatsächlich gesund zurückkehrt, ist die Erleichterung groß. Zumindest bei Georg. Julia aber erkennt ihr Kind nicht. Bald ist sie wieder daheim. Dort zeigt sich, dass der moderne Familienhaushalt, in dem Mama Karriere macht und Papa vom Rang aus applaudiert, nur so lange existiert, bis das Kind da ist und mit ihm die traditionellen Dynamiken zurückkehren. Georg geht arbeiten, Julia ist allein mit dem Kind, das sie für ein fremdes Kind hält.
An exakt diesem Punkt des Mutterseins beginnt „Mother’s Baby“ von Johanna Moder. Nicht Boogeyman und Gemetzel lauern hier auf die Protagonistin, sondern das eigene Kind. Geht es ihm gut? Warum ist es so still? Atmet es noch? Warum kann ich es nicht so sehr lieben, wie ich es lieben sollte? Mit der Ungewissheit und bald auch der empfundenen eigenen Unzulänglichkeit zieht die gesamte Bandbreite des Schreckens in das liebevoll kindgerecht erweiterte Luxusappartement ein. Nicht in brutalen Schocks, sondern in der Beständigkeit des endlosen Alltags mit Baby. Jeder Tag – und als Mutter verbringt Julia jeden Tag mit ihrem Neugeborenen – bringt neue Furcht, wirft neue Fragen auf. Entlang der beiden alles bestimmenden Fragen zieht Johanna Moder den Schrecken in „Mother’s Baby“ auf: Was ist mit Julia los? Und: Was ist mit dem Kind los?
Die empathische Basis wird aufgegeben
Ehemann Georg und Doktor Vilfort drängen mit ihren eigenen Fragen dazwischen: Leidet Julia an einer postpartalen Depression? Vieles scheint darauf hinzudeuten und die Mutter selbst nimmt die Diagnose und die verschriebenen Medikamente an. Als das nicht hilft, steht Georgs Frage im Raum: Ist vielleicht Julia selbst das Problem? Irgendwie ist das verständlich. Zumindest aus der Außenperspektive, in die sich der Ehemann begibt, erscheint Julias Verhalten völlig ungerechtfertigt. Eine empathische, gemeinsame und liebevolle Basis für die gemeinsame Elternschaft hat Georg aber mit dieser Frage schon aufgegeben.
Auch die professionelle Hilfe, Hebamme Gerlinde (Julia Franz Richter), hat eher zweifelhafte Ratschläge und Übergriffigkeiten im Angebot. Julia solle schnell abstillen und auf Pre-Nahrung umstellen. Das Baby hält und wickelt die Hebamme grundsätzlich selbst, und zu einem spontanen Besuch bringt sie unangekündigt ein Aquarium mit dem verhassten Axolotl mit.
Etwas Seltsames geschieht hier. Seltsam genug, um aus dem Alltag auf etwas Extremes zu verweisen. Aber nicht zu seltsam, um den Alltag gänzlich für eine Reise in die Abgründe eines solchen Extrems aufzukündigen. Johanna Moder, die auch Co-Autorin des Drehbuchs ist, versteht es, auch innerhalb der Grenzen des Prosaischen ihren Weg zu gehen. Nicht nur das Gefühl der Hilflosigkeit drückt unerbittlich die Angst in diesen Film. Auch der Mutter-Alltag selbst ist bald ein Horrortrip, der zeigt, wie viel Grauen zwischen Wickelkommode, Babybett und Stillkissen passt. Julias Sohn hält bald für einen invertierten Kuleschow-Effekt her, weil er der Mutter immer neue, fremdartige Blicke zuzuwerfen scheint. Als sich die Mutter unsicher ist, ob das Baby hört, testet sie dies mit voll aufgedrehter klassischer Musik. Als das Baby nicht reagiert, untersucht sie mit behutsamem, aber eben doch alle Grenzen übertretenden Kneifen sein Schmerzempfinden. Und als das Baby dann doch schreit, wird ein Jump-Scare daraus.
Weiß die Mutter es am besten?
„Mother’s Baby“ rückt den Horror recht effektiv in den Alltag, erschreckt mit Babys, verstört mit der Schweigsamkeit der Ärzte, entnervt mit der Distanzlosigkeit der Hebamme. Alle beteuern dabei, dass es Julia selbst, also die Mutter, letztendlich am besten wüsste. Eine Annahme, die der Film dem wohl härtesten Stresstest unterzieht, den ein tief in bürgerlichen Lebensrealitäten vertäutes Horrordrama zulässt.