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Filmkritik
Der Tag ist schon angebrochen, doch in den dunklen, höhlenartigen Gängen eines Technoclubs ist noch immer kein Ende in Sicht. „Rave On“ spielt fast ausschließlich in dieser zeitlosen Parallelwelt. Die Herausforderung für die Partygäste besteht darin, im Rausch des Feierns ein Ende zu finden. Für einige der mit reichlich Drogen aufgeputschten und schon ziemlich erschöpften Tänzer müsste die Nacht eigentlich längst vorbei sein.
Für den Musiker Kosmo (Aaron Altaras) hat die titelgebende Durchhalteparole allerdings eine andere Bedeutung. Weiter zu raven, heißt für ihn, nach langer, viele Jahre währender Pause wieder einen Club zu betreten. Nach einem desaströsen Auftritt in der Vergangenheit hat sich der einstige Nachwuchs-DJ auf die Produktion von experimenteller Musik verlegt. Doch nun hat er doch wieder eine Techno-Nummer aufgenommen, von der er sich so viel verspricht, dass er die Platte dem enigmatischen Star-DJ Troy Porter zustecken will, der sie in sein Programm einbauen und zum Hit machen soll.
Ein Weg am Türsteher vorbei
Kosmos Versuch, alles auf eine Karte zu setzen, endet zunächst jedoch beim Türsteher (Isaak Dentler), der ihn wegen schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit nicht hereinlassen will. Die Regisseure Nikias Chryssos und Viktor Jakovleski nutzen eine simple Prämisse, bei der immer wieder der Erfindungsreichtum des Protagonisten gefragt ist. Denn kaum hat es Kosmo in dem fast in Echtzeit spielenden Film über Umwege doch in den Club geschafft, versucht er mehrfach erfolglos, an den streng abgeschirmten Porter heranzukommen. Der ursprüngliche Plan gerät allerdings in den Hintergrund, weil der DJ-Auftritt von Troy Porter um mehrere Stunden verschoben wird und Kosmo während der Wartezeit ehemaligen Weggefährten begegnet: der Barkeeperin, alten Feierfreunden sowie seinem ehemaligen Musikerkollegen (Clemens Schick), dessen mysteriös-auratische Erscheinung jedoch Zweifel weckt, ob er real ist.
Kosmo ist an einem Ort gelandet, den er gut kennt, der ihm durch seine langjährige Abwesenheit aber auch fremd geworden ist. Der Film streift die künstlerische Schaffenskrise des Protagonisten wie auch seine Wunden aus der Vergangenheit nur am Rande. Im Zentrum von „Rave On“ steht vielmehr das flüchtige Zugehörigkeitsgefühl der Partygänger und die Unberechenbarkeit einer Clubnacht.
Der Film wird immer wilder, wenn Kosmo mit Freunden Ketamin schnupft und zunehmend die Kontrolle verliert. Mit verzerrter Geräuschkulisse, schlierig zerfließenden Bildern und surrealen Wahnvorstellungen taucht „Rave On“ ganz in den psychedelischen Horrortrip des Protagonisten ein. Auch wenn es dabei nicht so exzessiv und audiovisuell ausgeklügelt zugeht wie in Gaspar Noés ähnlich gelagertem Drama „Climax“, simuliert „Rave On“ doch immer wieder mitreißend den befreienden Selbstverlust im Rhythmus der Musik wie auch die beklemmende Wirkung eines eskalierenden Drogenrauschs.
Der Club als Zentrum des Films
„Rave On“ legt viel Wert darauf, dass der Club keine austauschbare Kulisse für eine möglichst universelle Geschichte ist, sondern das eigentliche Zentrum. Es wird über „Festival-Techno“ gelästert, Wikipedia-Wissen über Ketamin eingestreut, der demonstrativ einfühlsame Singsang einer Mitarbeiterin des Awareness-Teams lächerlich gemacht und ein Dresscode aus schwarzer Fetisch-Kleidung präsentiert, der seinen Ursprung in der Berliner Clubszene hat, seit einiger Zeit aber im Mainstream angekommen ist.
Das Bemühen um Authentizität zählt zu den Stärken des Films, was sich daran zeigt, dass die Filmemacher die Rolle des Troy Porter mit dem für verquere, bisweilen an Free Jazz erinnernde House-Musik bekannten Produzenten Hieroglyphic Being besetzt haben, der eher ein Geheimtipp als eine naheliegende Wahl ist. Dass der Musiker nicht der begnadetste Schauspieler ist, sieht man ihm aufgrund seiner sehr kleinen Rolle nach. Nur gelegentlich wirkt „Rave On“ so darum bemüht, möglichst viel Wissen nach außen zu tragen, dass der Film darüber kurzzeitig vergisst, seinem eigenen filmischen Universum zu vertrauen.
Bemerkenswert ist, dass „Rave On“ die Clubwelt keineswegs romantisch verklärt. Kosmo trifft auf verloren wirkende, psychisch sichtlich gezeichnete Besucher, die auf einen schlechten Trip gekommen sind. Als er schließlich selbst seiner Wahrnehmung nicht mehr trauen kann, spinnt der Film daraus einige Fremdschäm-Momente über die Verwundbarkeit im Rausch. Weil Kosmo sich kaum noch aufrechthalten kann, schließt er sich einer Clique an, von der nicht klar ist, ob sie ihm Geborgenheit bieten oder sich über ihn lustig machen will.
So spontan wie vergänglich
Man könnte an „Rave On“ seine etwas behelfsmäßige Handlung kritisieren, doch gerade wenn es vordergründig um nichts geht, blüht der Film auf. In den holprigen zwischenmenschlichen Begegnungen sowie den zunächst banalen, mit zunehmendem Rausch aber immer unsinnigeren Gesprächen entwickelt sich eine absurde Komik. Etwa wenn eine internationale DJ-Bekanntschaft Kosmos einstigen Musik-Act „Firlefanz“ konsequent als „Firly Trance“ ausspricht oder der noch nüchterne DJ in die Arme seines ehemaligen Professors läuft, der von Benny Claessens mit totaler Entgrenzung verkörpert wird. In solchen Momenten lebt „Rave On“ in ähnlichem Maße von der Spontanität und Vergänglichkeit wie die Szene, die er porträtiert.