Filmplakat von The Ritual

The Ritual

77 min | Horror
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Filmkritik

Die Erschütterung ist Pfarrer Steiger (Dan Stevens) ins Gesicht geschrieben. Während er vor seiner Gemeinde in einer Kleinstadt in Iowa predigt, stockt seine Rede immer wieder, bevor er endlich anspricht, was ohnehin jeder weiß: Sein Bruder hat sich das Leben genommen. Der Horrorfilm „The Ritual“ von David Midell präsentiert die Hauptfigur von Beginn an als gebrochenen Mann, der einer weiteren Belastung nicht gewachsen scheint, obwohl er schon bald vor einer weit größeren Herausforderung steht.

In dem abgelegenen Kloster, in dem Steiger lebt, findet wenig später ein seltener Exorzismus statt. Die junge Emma (Abigail Cowen) ist schon seit einer Weile verhaltensauffällig und soll von Dämonen besessen sein. Der aus Deutschland stammende Priester Theophilus Riesinger (Al Pacino) ist fest davon überzeugt, dass der Teufel seine Finger im Spiel hat. Steiger dagegen zweifelt, nicht zuletzt wegen seines Bruders, an übersinnlichen Ursachen für den Zustand des Mädchens und fragt sich, ob es sich nicht in Wahrheit um ein psychisches Leiden handelt.

Nach einem historischen Fall

Die drei Hauptfiguren aus „The Ritual“ sind historische Figuren, die im Jahr 1928 an einem Ereignis beteiligt waren, das im Vorspann als einer der „am ausführlichsten dokumentierten Fälle einer dämonischen Besessenheit“ bezeichnet wird. Doch nicht einmal die katholische Kirche hat diese Teufelsaustreibung anerkannt. Um seine vermeintliche Authentizität zu unterstreichen, bedient sich der Film einer dokumentarischen Ästhetik. Eine nervös wackelige Handkamera lässt das Geschehen unmittelbar wirken, und die Konzentration auf aufgeregte Gesichter lädt es emotional auf. Dass solche einfachen Tricks mitunter nicht ihre Wirkung verfehlen, zeigt der Erfolg vorgeblich dokumentarischer Found-Footage-Horrorfilme.

Der Realismus von „The Ritual“ schlägt sich auch in der eher losen Dramaturgie nieder. Strukturiert ist der Film vor allem durch die verschiedenen, sich in ihrer Intensität steigernden Exorzismus-Rituale. Bestimmend sind dabei die Reibungen zwischen den beiden Geistlichen. Während Al Pacino seine Figur als harmlosen Kauz mit verstrubbeltem Haar spielt, verkörpert Dan Stevens den Pfarrer konsequent angespannt und zerbrechlich. Ein größeres Interesse am Glaubenskonflikt zeigt „The Ritual“ aber nicht. Sowohl die verschiedenen Standpunkte als auch die unterschiedlichen Gemüter der Figuren führen zu keiner tieferen Auseinandersetzung mit den Spannungen zwischen Religion und Rationalität. Dass der Film, nachdem er sämtliche übersinnlichen Register einer Teufelsaustreibung gezogen hat, im Abspann weiterhin eine psychische Ursache in Erwägung zieht, wirkt ein wenig scheinheilig.

Überzeugende Darsteller, lausiger Plot

Der Exorzismus-Film zählt nicht zu den ergiebigsten Genres des Horrorkinos. Das Geschehen folgt häufig einem schlichten, vorhersehbaren Ablauf und spielt sich überwiegend in einem einzigen Raum ab. Platz für Variationen gibt es kaum. „The Ritual“ gelingt es zunächst, durch sein Setting – eine öde Landschaft mit wolkenverhangenem Himmel und kahle, schummrige Innenräume – eine beklemmende Stimmung zu vermitteln. Weil Pacino und Stevens gute Schauspieler sind, wirken ihre Charaktere zunächst lebensnaher, als es die eher oberflächliche Figurenzeichnung des Drehbuchs eigentlich hergibt; ganz überspielen können sie dessen Defizite aber nicht.

Abgesehen von der nur angeschnittenen Glaubenskrise Steigers vertraut Midell vor allem auf altbekannte Muster des Genres. Die Darstellung von dem, was mit dem Mädchen geschieht, wirkt in einigen Momenten tatsächlich verstörend: wenn ihre Haut plötzlich fahl und runzlig wird, sich ihre Augen nach oben verdrehen oder sie übermenschliche Kräfte entwickelt. Über die Dauer des Films kann „The Ritual“ diese bedrohliche Wirkung allerdings nicht halten.

Mit der Stimme der Angehörigen

Die wiederholten Rückzugsversuche Steigers wie auch die schier endlosen Austreibungszeremonien wirken spannungsarm und monoton. Während die Besessene mit Bibelversen traktiert wird, versucht sie die Beteiligten zu manipulieren, indem sie sie mit der Stimme ihrer Angehörigen anspricht. Doch abgesehen von einer fiesen Attacke auf eine überforderte Nonne ist die Gefahr jeweils schnell gebannt. So unterbelichtet „The Ritual“ seine psychologische Dimension lässt, so gezähmt wirken auch seine Grusel- und Schockeffekte. Die behauptete Außergewöhnlichkeit des Ereignisses lässt sich in diesem halbgaren Film nicht nachvollziehen.

Veröffentlicht auf filmdienst.deThe RitualVon: Michael Kienzl (11.7.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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