Filmplakat von Soldaten des Lichts

Soldaten des Lichts

108 min | Dokumentation | FSK 16
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Szenebild von Soldaten des Lichts 1
David ist roh-veganer Influencer. Neben Nahrungsergänzungsmitteln verbreitet er auch Geschichten über dunkle Mächte und Gott. SOLDATEN DES LICHTS taucht in eine komplexe Welt zwischen Verschwörungsideologien und Selbstoptimierung ein und porträtiert Menschen, die in Deutschland ein Königreich errichten wollen.
  • Veröffentlichung14.08.2025
  • RegieJohannes Büttner, Julian Vogel
  • ProduktionDeutschland (2025)
  • Dauer108 Minuten
  • GenreDokumentation
  • AltersfreigabeFSK 16

Vorstellungen

Abaton Kino Hamburg
Abaton Kino Hamburg
Allende-Platz 3
20146 Hamburg
Metropol-Theater
Brunnenstraße 20
40223 Düsseldorf
Kölner Filmhaus
Maybachstraße 111
50670 Köln

Filmkritik

David gerät in eine Krise, weil sein TikTok-Kanal gesperrt wurde. Jetzt müssen seine neuesten Beiträge vorerst eben über den Zweitkanal laufen. Doch Zensur hin oder her – die Hausarbeit steht trotzdem an. Staubsaugen, Aufräumen, Saubermachen. Danach ein kleines Workout. „Das Leben ist einfach filmreif,“ kommentiert David ironisch.

Bereits die ersten Momente von „Soldaten des Lichts“ lassen die Ausrichtung des Films erkennen. Die Regisseure Julian Vogel und Johannes Büttner haben zwei Jahre lang einen rein beobachtenden Dokumentarfilm gedreht, der still und konzentriert am Tagwerk des Protagonisten David und der Menschen um ihn herum teilnimmt. Ganz so banal ist Davids Leben aber nicht immer. Das fängt schon damit an, dass der junge Mann seiner Ansicht nach gar kein Bürger der Bundesrepublik ist. Sondern ein Kind des „Königreich Deutschland“, einem Sammelsurium aus „Reichsbürgern“, die einer eigenen Verfassung folgen – mit dem früheren Koch und Karatelehrer Peter Fitzek als Oberhaupt, der sich 2012 zum König krönte. Nach Ende der Dreharbeiten wurde die Vereinigung im Mai 2025 verboten, inklusive eines Haftbefehls gegen Fitzek, der wegen einer früher begangenen Körperverletzung acht Monate lang ins Gefängnis muss.

Zeigen, was ist

Es wäre ein Leichtes, Davids Lifestyle-Brei durch eine entsprechende Kommentierung und Inszenierung der Lächerlichkeit preiszugeben oder zur ultimativen Demokratiebedrohung aufzubauschen. Vogel und Büttner wählen hingegen einen anderen, weitaus interessanteren Weg. Sie zeigen das, was ist, und überlassen die Wertung den Zuschauern – auch wenn in der Auswahl der Bilder und der Montage natürlich immer eine Intention mitschwingt.

Der Film beginnt mit dem Influencer David alias „Mister Raw“, der als Lebensberater reüssiert. Der Kontakt zu ihm fiel den Filmemachern leicht, weil Johannes Büttner mit David zur Grundschule gegangen ist.

Heute verkauft David Nahrungsergänzungsmittel und Superfood. Wie für andere Ernährung-Gurus fängt die Selbstoptimierung für den durchtrainierten Mann bei der Ernährung an, beim Fasten und bei Smoothies, beim Fleischverzicht – keine unüblichen Haltungen. Problematisch wird es jedoch, wenn David mit seiner verquasten Philosophie echten Schaden anrichtet: Wenn er etwa der todkranken Mutter eines Anrufes rät, Krebszellen allein durch eine höhere Körpertemperatur abzutöten. Oder wenn er die Psychose von Timo, der für Kost und Logis in Davids Haus arbeitet, auf dessen Fleischkonsum zurückführt. In seinen Augen wird das ein Fastenplan schon richten. In Davids Augen leidet Timo nicht an einer psychischen Erkrankung, sondern in ihm ist vielmehr „die Dunkelheit“ am Werk. Mit der kennt sich David aus. Immerhin nennt er seine Anhänger „Soldaten des Lichts“; zudem ist er davon überzeugt, dass „die dunkle Seite Angst vor uns hat.“

Reptos bevölkern die Flacherde

Sukzessive taucht der Dokumentarfilm in Davids Ideologie ein und weitet den Blick auf das diffuse Netzwerk um ihn herum, das bis zu Peter Fitzek reicht. Dabei tun sich kuriose Szenen auf, die ihre eigene Satire in sich tragen. Im Reichsbürger-Umfeld gedeihen verschwörerische Theorien von der Flacherde, von satanischen Geheimbünden und Kinderbluttrinkern. Beim Interview mit dem Geistheiler Sananda erfährt David zu seinem eigenen Erstaunen, dass 87  Prozent aller Menschen getarnte „Reptiloiden“ seien, also echsenähnliche Außerirdische; die Putzfrau hinter der Kamera wird so kurzerhand zum „Repto“ erklärt.

Vieles davon wirkt harmlos, esoterisch oder einfach nur verstiegen, inklusive schwarzhumoriger Situationskomik. Man sieht Systemaussteiger, die Mundharmonika spielen oder in Rollenspielen Olaf Scholz verkörpern; man lauscht selbstbestätigenden Gesprächen, bei denen die Beteiligten vieles überhören, wenn es nicht mit ihrer Welterklärung zusammenpasst. Ganz so konsequent ist die Systemabkehr allerdings nicht bei allen. Beim Besuch in einer Autowerkstatt weist der Besitzer auf die königliche Beflaggung hin – direkt daneben aber thront sein Meisterbrief, ein Dokument der Bundesrepublik, deren Existenz sich doch nicht ganz wegreden lässt.

Das Schmunzeln vergeht einem aber angesichts des Schicksals von Timo, der als Davids Lakai zur zweiten Hauptfigur des Films avanciert. Dass es ihm schlecht geht und Wildkräutersaft vielleicht nicht die einzige Antwort auf seine psychotischen Probleme ist, bedrückt zusehends. Als Timo das Königreich zeitweise verlässt, öffnet sich der Blick in Richtung Außenwelt. Timos Mutter berichtet von der Radikalisierung ihres Sohns. „Ich entscheide über mein Leben selbst, Mama“, entgegnet Timo seinen Eltern, die von seinen Aktivitäten wenig halten. Eine wütende Sprachnachricht von David bewegt ihn aber auch nicht zum Umdenken. Letztlich kehrt Timo zurück und stirbt sechs Monate nach den Dreharbeiten an Unterernährung.

Es geht häufig nur ums Geld

Julian Vogel und Johannes Büttner zeigen das alles ohne Kommentar oder journalistische Einordnung mit beobachtenden, oft starren Perspektiven und langen Einstellungen. Der Film spielt Mäuschen im Reichsbürger-Milieu. Deutlich wird dabei, dass es vor allem auch ums Geld geht. David ist ständig mit dem Ausbau seines Geschäftsmodells beschäftigt. Auch der Geistheiler Sananda, vormals ein Sozialhilfeempfänger, freut sich über seinen neuen Finanzstatus als „geistiger Führer der Welt“.

Die Diagnose, dass in der Welt der esoterisch angehauchten Reichsbürger alle aneinander vorbeireden und vornehmlich Kundschaft generieren wollen, wird in einer vielsagenden Schlusseinstellung zugespitzt. Im Nachgang zu einem Video, das David mit einem „Krypto“-Propheten gedreht hat, sind beide wieder ganz mit sich selbst beschäftigt. Im Bildvordergrund moderiert der eine seinen Stream ab, in der Ebene dahinter richtet der andere ein Video an seine eigene Gefolgschaft. Vogel und Büttner filmen die Situation aus der Distanz und überlagern die beiden Tonspuren zu einem kakophonischen Kauderwelsch.

Veröffentlicht auf filmdienst.deSoldaten des LichtsVon: Christian Horn (31.7.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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