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Filmkritik
„Mr. K“ heißt dieser Film der norwegischen Regisseurin Tallulah Hazekamp Schwab im Original, so wie seine Hauptfigur. Das ist nicht die einzige Verbeugung vor Franz Kafka. „Jeder Mensch ist ein Universum für sich. Und schwebt durch ewige Dunkelheit. Ziellos, einsam, so einsam. Oder vielleicht geht es nur mir so“, sagt Mr. K, perfekt dargestellt von Crispin Glover, zu Beginn aus dem Off. In diesen Sätzen ist eine kleine Unsicherheit verborgen. Ist die folgende Erzählung real? Oder nur eine Illusion der Hauptfigur? Mr. K ist Zauberer, ein Illusionist, und das könnte schon eine Antwort sein.
Ein Labyrinth endloser Gänge und Türen
In der ersten Szene sieht man, wie Mr. K in einem vollbesetzten Café seine altmodischen Tricks vorführt. Doch die Gäste sind mit ihrer Mahlzeit und ihren Unterhaltungen beschäftigt. Für den Zauberer und seine magischen Kräfte interessieren sie sich kaum. Mr. K packt seine Sachen und checkt in einem viktorianischen Hotel ein, dessen eleganter Glanz schon lange verblasst ist. Die misstrauische Managerin führt ihn über mehrere Stockwerke und Flure auf sein Zimmer. Unter dem Bett und im Schrank haben sich ein Mann und eine Frau versteckt, die nun wortlos das Zimmer verlassen.
Als Mr. K am nächsten Morgen nach unruhiger Nacht das Hotel verlassen will, findet er den Ausgang nicht. Der schlichte Flur entpuppt sich als Labyrinth endloser Korridore, die nirgendwo hinführen. Die anderen Hotelgäste vermissen allerdings keineswegs den Ausgang und können Mr. K nicht helfen. Allerdings betrachten sie ihn als Befreier; „Liberator“ steht an den Wänden. Der verzweifelte Mr. K sieht sich fortan gezwungen, verschiedene Jobs im Hotel anzunehmen, etwa als Aushilfe in der riesigen Küche. Bis ihm auffällt, dass das Haus allmählich kleiner wird. Oder schrumpft es etwa nicht?
Die Arme eines Kraken
Tallulah Hazekamp Schwab hält so manche Überraschung und verblüffende Handlungswendung bereit, die man unmöglich erwarten konnte. Der Spaß beim Zusehen besteht zunächst darin, die vielen kleinen Details der Ausstattung und die urigen Typen der Schauspielerriege zu entdecken. Das große Hotel scheint förmlich zu leben; einmal offenbart eine sich lösende Tapete, die an „Barton Fink“ erinnert, etwas wie die Arme eines Kraken; vielleicht handelt es sich aber auch um ein endloses Gedärm, das sich bei Berührung zusammenzieht. Eigentümliche Geräusche und ratternde Rohre, die aus „Brazil“ stammen könnten, sorgen für eine ungemütlich-laute Geräuschkulisse. Mitunter fühlt man sich an die Bilderwelten und den Ideenreichtum von Wes Anderson, Roy Andersson oder Guy Maddin erinnert. Zwischendurch eilt eine Blaskapelle im Emir-Kusturica-Stil durch die Flure. Schwab präsentiert die kuriosesten Typen, vom strengen Chefkoch über die privilegierten Gäste, beispielsweise Sunnyi Melles als joviale Diva, bis zu den neidischen Küchenarbeitern, die sich nach Feierabend in einem viel zu kleinen Zimmer zusammendrängen – ein Zweiklassensystem.
Verbirgt sich dahinter so etwas wie Sozialkritik? So ganz wird das nicht klar. Die Hotelgäste und Angestellten denken nicht über eine Verbesserung ihrer Situation nach; sie akzeptieren „ihre“ Realität und wollen von einem Ausweg, also einer anderen Realität, gar nichts wissen. Spätestens jetzt muss man sich fragen, welche Funktion Mr. K eigentlich hat. Ist er ein Held? Ein Revolutionär? Der ersehnte „Liberator“, der alle zu retten versucht? Oder ist er ein Feigling, der, erschöpft von seinen ständigen Reisen, das Hotel gar nicht mehr verlassen will? Wofür also steht er?
Eine große Faszination fürs Absurde
Eine Antwort darauf gibt „Willkommen um zu bleiben“ nicht. Das nährt den Verdacht, dass die ausgefallenen Bilder und originellen Einfälle wichtiger sind als eine Aussage. „Mr. K“ ist ein surreales Fest für die Augen und eine Hommage an Franz Kafka und seine Faszination für das Absurde. So wie bei Kafka die genaue Beschreibung einer undurchschaubaren Bürokratie, etwa in „Das Schloss“, zur Verrätselung des Ganzen beiträgt, verwehren Hazekamp Schwabs überbordende, detailversessene Bilder den Blick dahinter. Was das alles zu bedeuten hat, muss man als Zuschauer selbst entscheiden.